Je Terror, desto infantil

Düsseldorf, 30.07.16. „Den Islam“ gibt es bekanntlich nicht, aber ein anderes Abstraktum lebt: „Die Deutschen“. Während man über Ersteren nichts sagen kann, da er nicht existiert, stehen Letztere im Mittelpunkt zahlreicher therapeutischer Bemühungen. Denn sie sind weder intellektuell noch psychisch in der Lage, mit dem wachsenden islamistischen Terror vernünftig umzugehen, ihn also auf der Liste akuter Bedrohungen weit unter Pilzgerichte und Treppenstürze einzusortieren. Nein, sie schlottern vor Angst, reagieren kopflos, unbesonnen und immer über, so dass es starker Meinungsführer bedarf, dieses infantile Volk überhaupt noch aus dem Haus und an den Arbeitsplatz zu scheuchen.

Glücklicherweise haben wir solche Meinungsführer, und zwar viele und an allen wichtigen Stellen in Politik und Medien. Mehr noch: Sie vertreten stets nur eine Meinung, abgesehen von kleinen persönlichen Nuancen. Ihr zentrales Anliegen ist es, „den Deutschen“ „die Angst“ zu nehmen. Im Gegensatz zu ihren Meinungsführern sind „die Deutschen“ nämlich nicht in der Lage, politische und gesellschaftliche Veränderungen als rational erfassbare und praktisch veränderbare Prozesse zu erfassen. Denn dann hätten sie keine Angst, sondern lediglich Sorgen. Während man gegen Angst als Gefühl existentiellen Ausgesetztseins wenig tun kann, lassen sich Sorgen beheben: Durch Vorsorge, Fürsorge, Besorgungen etc.. Kurz: durch Denken und Handeln. Dazu sind „die Deutschen“ aber ohne Anleitung nicht fähig und brauchen von der Wiege bis zur Bahre einen starken Staat, der für sie weit über fünfzig Prozent ihres Einkommens verwaltet und sie von morgens bis abends in allen Lebenslagen und bei allen Lebensfragen berät und leitet. Gilt das schon für so alltägliche Fragen wie die nach dem korrekten Leuchtmittel, dem Fleischverzehr oder der Plastiktütenentsorgung (bitte nicht in den nächsten Ozean werfen!), so noch mehr, wenn der Alltag zunehmend durch islamistischen Terror bereichert wird.

Der ist nämlich ein pures Naturereignis und ebenso unvorhersehbar wie ein Blitzeinschlag. Während „der Deutsche“ gegen den Klimawandel etwas tun kann (richtiges Leuchtmittel, keine Plastiktüten), steht er islamistischen Angriffen total überrascht und fassungslos gegenüber. Da die Attentate nichts mit „dem Islam“ zu tun haben können, weil es den nicht gibt, sind sie ihre Ursachen absolut rätselhaft und höchstens mit dunklen seelischen Verwirrungen zu erklären – die ebenso in den Bereich nicht prognostizierbarer medizinischer Phänomene gehören wie Migräneanfälle oder Rheumaattacken. Wer meint, dass staatliche Instanzen beispielsweise durch Grenzsicherung, Einwanderungskontrolle oder Ausweisung abgewiesener Asylbewerber durchaus vorsorgen und vorbeugen könnten, hat die Alternativlosigkeit der aktuellen Entwicklungen noch nicht verstanden. Der Staat kann „die Deutschen“ vor islamistischem Terror genau so wenig schützen wie vor Pilzvergiftungen, Haushaltsunfällen oder anderen Alltagsrisiken. Er kann die Terrorakte nur richtig einordnen – nämlich als relativ unwahrscheinliche Todes- oder Verletzungsursache -, und ansonsten versuchen, „den Deutschen“ die Angst zu nehmen.

Dabei setzen unsere Meinungsführer dankenswerter Weise zunehmend auf ausgewiesene Angstforscher wie Borwin Bandelow, der „die Deutschen“ schon im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ermahnen durfte, sich jetzt aber mal zusammenzureißen. Man muss keine Angst haben, nur weil ein Mann mit einem dichten, schwarzen Bart im Bus sitzt – bekanntlich eine typische Reaktion „der Deutschen“ auf solche Fahrgäste. Deren Angstsystem ist nämlich, wie Bandelow in der „Süddeutschen“ ausführte, so einfach gestrickt wie das eines Huhns1. Und was machen deutsche Hühner, wenn sie einen arabisch aussehenden Fahrgast mit Rucksack sehen? Sie fragen sich sofort, ob da eine Bombe drin sei! Solchen Angsthasen beziehungsweise deutschen Hühnern kann Bandelow ebenso wenig helfen wie die Politik, er kann nur sagen: „Die Deutschen“ müssen das aushalten. Und zu was rät der Forscher beim praktischen Umgang mit dem alltäglichen Terror? Zu einem gesunden Fatalismus! Oder wie unsere islamischen Freunde sagen würden: Inschallah.

Deppendorf

PS: Mit „den Deutschen“ sind natürlich nicht „die Menschen in unserem Land“ gemeint, denn dazu gehören auch britische Geschäftsleute und chinesische Touristen. Denen wir keineswegs zu nahe treten wollen.

PPS: Da Bielefeld ebenso wenig existiert wie „der Islam“, handelt es sich hier um eine völlig diskriminierungsfreie Illustration.


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